Short Facts

Motor

Karosserie

Getriebe

Antrieb

Zulassung

Kilometer

2.5L R6

Tourer 4-Seater

4-Gang manuell

Hinterrad

Veteran

4'600 (abgelesen)

Offen für alles

Wir haben ja unsere Prinzipien, wenn es um Autos geht. Eines davon war, bis zumindest vor ca. zwei Jahren, «keine Vorkriegskisten». Wieso? Weil wir dafür nur mässig Begeisterung entwickeln konnten. Weil? Wir hatten einfach keine Berührungspunkte für diese wulstigen, barocken Geräte und wir hatten auch so das eine oder andere Vorurteil im Hinterkopf. Keine Leistung. Ein Krampf zum Fahren. Keine Sau kennt sich damit aus, auch wir irgendwie nicht. Und vor allem, keine Leistung, nochmal. Tja, wie das so ist, wir haben unsere Türen geöffnet für alles, aber, wir sind deswegen schon gar nicht immer und von Anfang an offen für Alles. Aber, für Vieles. Und wir lernen, jeden Tag. Und wir mussten (und wollten) auch in der Vorkriegsthematik eine Menge dazulernen, es ist nicht alles Mist, was nicht mindestens fünf Liter Hubraum und vor allem, das Lenkrad auf der falschen Seite hat. Und damit sind wir offen für alles, sofern es ein gewisses Mass an Faszination und vor allem, ein ebenso gewisses Mass an (Fahr)Qualität mit sich bringt. BAM! Ein 36er Jaguar SS Tourer. What? Geht’s noch?

Viel Luft nach oben

Natürlich hat ein Cabrio oder ein Roadster seine ganz eigene Faszination gegenüber der Limousine oder dem Coupé. Mann oder Frau muss schon ein harter Hund sein, um sich ein offenes Gefährt nach Hause zu holen. Weil, den Extraspass der unendlichen Kopffreiheit gibt es nur bei schönem Wetter. Und das gilt vor allem dann, wenn man zwar ein Faltdach zu dem Auto dazu kriegt, aber ansonsten nur schlecht passende Steckscheiben, welche weder Regen noch Schnee zuverlässig aus dem Innenraum fernhalten. Man muss also wirklich Nehmerqualitäten haben, weil, hier ist nix mit Klima, Heizung und vor allem, dem Schutz der Gezeiten. Aber eigentlich ist genau das ein Plus am Erlebnis, ein Plus an der Nähe zu der unberechenbaren Natur, welche uns Menschlein immer mal wieder zeigt, dass wir nur ein leiser Pups auf diesem Planeten sind. Entweder trotzen wir dem Wetter oder wir gehen dabei drauf. Naja, Regen hat noch keinen umgebracht, ausser er kommt in Begleitung von einer Hauswand mit 300 km/h von links, dann wird’s mühsam.

Zurück in die Vergangenheit

Es schreibt sich das Jahr 1936 in Coventry in Grossbritannien. Das Wetter ist wie die Politik damals schon eher instabil, aber dennoch kannte man nix, offene Roadster oder Viersitzer waren die ganz grosse Nummer bei SS. Und wenn man von grossen Nummern spricht, von diesem speziellen Exemplar wurden im Jahre 1936 36 Stück so gebaut. Ha, also doch eine kleine Nummer. Dennoch; die Tourer fanden, wenn auch nur in kleinen Stückzahlen, ihre Käufer in aller Welt. Und damit auch dieser schwarze Ritter, welcher auch heute noch so dasteht und vor allem wegzieht, als ob es um Leben und Tod ginge.

 

Im Gegensatz zu dem SS100, welcher als reiner Sportwagen konzipiert war, war der Tourer eher etwas für die Familie oder den Ausflug mit Freu(n)den. Der Tourer ist nicht so kompromisslos sportlich abgestimmt, weder in der Leistungsabgabe, noch in der beschleunigungsgeprägten Art der Fahrdynamik. Der Tourer sollte ein Luxuscruiser sein Und, das ist heute vor allem im direkten Vergleich (den wir in Echtzeit bieten können), absolut bestätigen. Der Tourer ist feiner, die Maschine ist geschmeidiger, Das Fahrwerk und Lenkverhalten ist entspannter. Spürbar! Und damit hatte es SS damals tatsächlich geschafft, sowas wie eine Diversion zwischen Familienkutsche und dem sportlichen Roadster zu schaffen, etwas, was heute in der heutigen Autowelt mehr als verwaschen gilt, man kann den Familienkombi auch heute dermassen auskonfigurieren, dass er dem geschwisterlichen Cabrio in sportlicher Hinsicht den Rang in feschen Turnschuhen abläuft. Ciao.

 

Zurück nach 1936. Ja, da war noch nix mit Autobahnen, das Auto in der unteren Mittelklasse hatte bestenfalls zweistellige PS-Zahlen und war immer noch näher an einer Pferdekutsche dran als an einem Auto. Und dann kommt SS Jaguar und ballert ein viersitziges Cabrio mit über 100 PS raus. Wer soll denn sowas kaufen, mitten in aufkommenden Kriegswirren und den Nachwehen einer Wirtschaftskrise? Naja, eben, 36 Leute. Die haben sich so einen SS Tourer gekauft, in diesem speziellen Fall wurde das Auto in London ausgeliefert und fand nach dem Krieg den Weg in die USA, wo er dann schlussendlich auch irgendwann aus einer Scheune gezogen und komplett restauriert wurde. Es gibt einfach Autos, welche den Schlenker um die Schrottpresse elegant gepackt haben und damit auch heute noch das Strassenbild zuverlässig bereichern. Und obwohl ich mich für die Aufnahme der Bilder bewusst an einen ruhigen Ort begeben habe, wo nicht so viel Publikumsverkehr herrscht, wurde circa zehnmal auf den Tourer angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Inklusive dessen, dass ich gleich zweimal mit einem fremden Handy Bilder von zwei Damen vor dem Tourer machen durfte. «Kann man den auch für eine Hochzeit mieten? Meine Tochter heiratet im Dezember!».

Der Innenraum

Leder, lackiertes Blech, Chrom, Holz. Aber trotz der eigentlich kalten Atmosphäre eines Vorkriegseisens, hier herrscht eine Menge Wärme und Kuschelfaktor. In Form von weichen, aber dennoch ausreichend konturierten Ledersitzen auf allen Plätzen. Die Ergonomie ist verhältnismässig übersichtlich, da ist ein Zündschlüssel, ein Startknopf und eine Menge Uhren, welche über die Vitalwerte des 2.5 Liter grossen Reihensechszylinders zuverlässig informieren. Und das tun sie auch noch sehr hübsch, diese barock anmutenden Schriftarten innerhalb der Armaturen schmeicheln dem Auge, wunderschön und trotzdem längst vergessen.

 

Beschädigungen oder kosmetische Verfehlungen sind kaum zu finden, alles sitzt da wo es hingehört, funktioniert und ist auch hervorragend verarbeitet. Bei bedachter Pflege, noch gut für viele Jahre der Wertschätzung und Anerkennung, hier wurden keine Kompromisse gemacht wenn es um die Originalität ging, alles ist so oder vermutlich noch besser, als es damals in Coventry angedacht war. Nicht nur ein Hauch von Luxus, gemessen an der Ära, in welcher das Auto gebaut wurde, ist hier ein wahrer Sturm an der felinen Geschmeidigkeit eines Jags zu vermelden. Das Auto ist unerwartet anmutig, wenn es um den wohnlichen Charakter des Innenraums anbelangt, hier fühlt man sich sehr schnell sehr wohl. Und mehr als erstaunlich, hier klappert nix, hier scheppert nix, man hat das Gefühl man sitzt in einem massiven Klotz von Auto. Trotz der sehr antiquierten Technik auf dem Stand einer Sportpferdekutsche.

Dynamik

Zwei Komma Fünf Liter Reihensechser mit zwei SU-Vergasern. Von 1936. Kann nix, müsste man (auch wir) meinen. Tja, müsste. Aber, wer den Tourer fährt wird feststellen, das ist so nicht richtig. Ou, das Auto geht sehr gut vorwärts, das ist so gar nicht in der Schublade von 1936 einzusortieren. Natürlich, das geht nicht wie ein 911er mit Zwangsbeatmung, aber dennoch, es geht besser vorwärts als so mancher modernen Klein- und Mittelklassewagen. Drehmoment ist King, und das entsteht einfach aus einer einerseits absolut perfekten Abstimmung aus dem Hause Goodtimer und der Kombination von Luft und einer Menge Sprit, viel davon!

 

Bremsen tut das natürlich auch, aber es empfiehlt sich, lange vor der Kurve, dem Kreisel oder der Abzweigung schon mal mittels Zwischengas, Zwischenkuppeln und gefühlvollem Herunterschalten die Geschwindigkeit zu reduzieren und die grossen Trommelbremsen etwas später zur Verzögerung hinzuzuziehen. Im Notfall ziehen die Bremsen natürlich auch das Lammrack vom Teller, aber Spass macht das Herunterschalten sowieso mehr. Weil. Sound.

 

Die Lenkung bedarf ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit, ist aber keinesfalls tricky. Natürlich ist da ein wenig Spiel drin, auch wegen den Wurstreifen, aber sofern man sich eingefuchst hat (auch wegen dem Linkslenker), dann ist das Auto einerseits sehr gut abschätzbar und vor allem, überraschend wendig. Der Lenkeinschlag ist im Gegensatz zu dem SS 100 mehr als alltagstauglich und auch die allgemeine Übersicht ist tatsächlich besser als bei einem, sagen wir mal, Kia Sorento. Und der hat nicht eine Burg von Motorhaube, welche majestätisch über die Strasse zu fliegen scheint.

 

Fahren tut das Auto absolut und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Und ja, der Tourer ist ein Krampf. Aber einer von der allerschönsten, petrolistischen Sorte. Du musst dem Auto wirklich deine volle Aufmerksamkeit schenken, und dann ist es auch voll und ganz bei Dir und wird dich regelrecht fluten, mit seiner mechanischen Handhabung, den Reaktionen der Umwelt, dem Wind von allen Seiten und nicht zuletzt diesem Sound aus der nach Originalspezifikationen rekonstruierten Chromstahlauspuffanlage. Es gibt kaum ein vergleichbares Motorengeräusch aus der Welt der Reihensechszylinder, wenn man die Vergaser auf atmosphärischen Durchzug stellt und die Welt um Dich herum in der Zeit zurückeilt, das sind automobile Emotionen, welche kein modernes Auto wiedergeben kann. Damals als so ein Auto das absolute Mass der Dinge war und irgendwie, heute immer noch ist. Sofern man Autos liebt. Wie schon gesagt, auch wir hatten unsere Vorurteile gegenüber diesem barocken Vorkriegseimer, aber er hat uns eiskalt erwischt und uns wieder mal klar gemacht, bist Du’s nicht gefahren, hast du tatsächlich keine Ahnung. Danke.

Der Tourer ist ein mehr als beeindruckendes Stück Technik, eine faszinierende Maschine mit Hirnfickfaktor. Und ich freue mich jetzt schon auf Probefahrten, wo ich beobachten kann, wie der Probefahrende von dem Jag regelrecht «überfahren» wird. Zumindest mir ging’s so und tatsächlich, dieser 86 Jahre  alte schwarze Britenschuppen hat es tatsächlich in meine persönliche Top-5 der beeindruckendsten Autos geschafft. Nicht wegen seiner Längsdynamik, vielmehr wegen der emotionalen Dynamik welche er so souverän aus dem Ärmel schüttelt.

Zustand

Der Tourer ist, vor allem nach einer umfangreichen mechanischen Überarbeitung durch die Herren der Goodtimer AG, in hervorragendem technischem Zustand. Die Mechanik (Motor, Getriebe, Lenkung) garantiert einen straffen Fahrbetrieb, die 2.5 Liter grosse Maschine ist hervorragend abgestimmt und zieht auch aus dem Drehzahlkeller geschmeidig, linear und willig hoch. Das Getriebe, vorausgesetzt man ist mit Zwischengas und Zwischenkuppeln vertraut, macht seinen Job zuverlässig ohne Geräusche und wandelt die ineffiziente Verbrennung von fermentierten Dinosauriern in ordentlichen Vortrieb um. Selbstverständlich sind die Arbeiten an der Maschine umfangreicht dokumentiert und schriftlich nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar ist die Historie, welche durch ein entsprechendes Jaguar Heritage Certificate belegt ist, gestützt durch die Wartungsunterlagen der Goodtimer Autofocus AG und die dokumentierte Wartungs- und Reparaturhistorie. Ergänzend dazu gibt es eine Menge jahrzehntealte Dokumente der jeweiligen Besitzer und viel Korrespondenz (Schreibmaschine, Fax etc.)  zu dem Tourer. Auch viele mehr als wertvolle Unterlagen der Jaguar Archive sind in dem dicken Bundesordner zu finden, welcher mit dem SS Jag mitgeht.

 

Die Karosserie und das Verdeck geben (fast) keinen Grund zur Kritik, lediglich an einer Stelle des hinteren, linken Kotflügels zeigt sich die unbarmherzige Einstrahlung der Sonne, hier sind Risse im Klarlack. Aber ansonsten, keine Dellen, Verformungen und sowieso, weit und breit kein Rost.

 

Die Elektrik tut ihren Job absolut ohne Zicken. Alles funktioniert so wie es soll, auch deswegen, weil der (überschaubare) Kabelbaum in perfektem Zustand ist. Der Innenraum gibt ebenfalls wenig Anlass zu Klage. Lack und Leder sind nahezu perfekt, einzig an den Türverkleidungen finden sich einige wenig Stellen mit etwas Patina.

Originales und Originelles

Gemäss den Archiven von Jaguar wurde das Auto 1936 als Jaguar SS Tourer mit der 2.5Liter Maschine geboren, am 17. März 1937 im britischen Königreich unter dem Kennzeichen DUU789 von Henlys in London registriert, fand dort seinen zweiten Besitzer namens Bernard Stanley Everett in Essex bis Dezember 1967 und wurde danach nach Kalifornien an einen Herrn John Pointer (Faith) in Los Angeles geliefert. Dort trug der Jag das Kennzeichen CA 90027. Diese Daten sind nachvollziehbar aus der umfangreichen Papierdokumentation und vor allem, dem originalen, englischen Fahrzeugschein und US-amerikanischem Papierkram. Gegen Ende der 1980er Jahre wurde das Auto in den USA umfangreich bzw. komplett restauriert (fotografisch ausdokumentiert). Um 1989 befand sich der Tourer im Besitz eines gewissen Hr. Nannen, wohnhaft in Hamburg, welcher sich die Echtheit des Tourers damals schon von Jaguar Cars bestätigen liess. Dieser verkaufte dann das Auto 1995 an seinen letzten und aktuellen Besitzer in der Schweiz, welcher als versierter Sammler von klassischen Jaguar’ und anderen automobilen Perlen gilt. Seitdem wurde das Auto fachmännisch durch Herrn Peter Orlainsky regelmässig betreut und natürlich auch regelmässig bewegt. Jene Standschäden, welche durch eine (leider) 18-monatige Standzeit entstanden sind (Kraftstoffsystem, Vergaser, Fahrwerk), wurden spurlos durch die Firma Goodtimer Autofocus AG beseitigt.

 

Das Auto war bei der Auslieferung Olive green innen und aussen, gedeckt von einem braunen Vinyldach. Heute ist das etwas anders, das Auto ist nach einer umfangreichen und fotografisch dokumentierten Restauration aussen schwarz, innen rot und besitzt ein robusteres Stoffdach. Nicht mehr ganz original, aber dennoch zeitgemäss.

 

Ebenso noch original und vor allem, erstaunlicherweise vorhanden ist das originale, erste Handbuch zu dem Jag. Ein unglaubliches Stück automobiler Literatur, das Auto wird auch mechanisch/technisch bis ins letzte Detail erläutert und macht es so (zumindest in der Theorie) für jedermann zugänglich, möchte man sich denn mit der einfachen aber dennoch heutzutage ein wenig fremden Technik eines solchen Vorkriegsengländers vertraut machen.

 

Noch kurz zu den Produktionszahlen; vom Tourer Cabriolet wurden genau 105 Exemplare gebaut, wovon 69 Stück in den Jahren 1934 und 1935 und nur auf speziellen Kundenwunsch nochmal 36 Stück im Jahre 1936. Damit handelt es sich hier um eines von 36 je gebauten Autos aus diesem, letzten Produktionsjahr. Und, es ist zumindest bis zum heutigen Zeitpunkt unserer Recherchen noch reine Mutmassung, aber vermutlich ist dies einer von ganz, ganz wenigen existierenden offenen Tourer mit der 2.5 Liter grossen Maschine aus dem Jahre 1936. Origineller und auch exklusiver geht’s eigentlich nicht mehr.

 

Auf Wunsch geben wir selbstverständlich auch Einblick in die umfangreiche Papierdokumentation und in die Restaurationsdokumentation. Hierfür bitten wir jedoch gerne um einen Interessensnachweis an dem Tourer und gerne auch etwas Vorlaufzeit.

 

Besichtigungen sind bei uns ebenfalls auf Anfrage und etwas Vorlaufzeit (min. 48h) möglich, für Probefahrten bitten wir um Verständnis, dass wir das Auto nur aus dem Showroom holen, sollten die Strassen trocken und vor allem salzfrei sein.

Noch mehr Bilder dieses Vorkriegscruisers findest Du in unserer Galerie. Solltest Du Interesse an oder Fragen zu diesem Fahrzeug haben, benutze bitte das untenstehende Formular oder ruf uns unter untenstehender Nummer an. Wir werden uns selbstverständlich zeitnah bei Dir melden.

 

Gruss aus der Küche

Markus

CHF 245'000

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