Short Facts

Motor

Karosserie

Getriebe

Antrieb

Zulassung

Kilometer

5.7L V8

Station Wagon

Automatik 4-Gang

hinten

ab MFK

unbekannt

Der Stationswagen

Lange bevor es SUV's und Familienvans gab, waren Kombis das Mass der Dinge wenn es darum ging, möglichst viele Leute und bei Bedarf auch noch möglichst viel Krempel von A nach B zu bringen. Praktischerweise hatten die Dinger viel Platz, eine Menge Türen und Klappen und waren überdurchschnittlich reisetauglich. Aber, sie hatten so ein Manko, sie waren nicht cool. Und in den wenigsten Fällen waren sie hübsch anzuschauen. Diese Kombis standen immer im Schatten ihrer Brüder und Schwestern, den Coupés und den Limousinen, welche einiges mehr an Coolnessfaktor zu bieten hatten und denen auch nicht so das Klischee der biederen Familienkutsche anhaftete. Kombis waren dazu verdammt, Lastesel zu sein, anstelle eines schicken Ponys hatte man da eher einen lahmen Esel, welcher zwar so einiges tragen konnte, aber eben weder begehrt, noch schön und schon gar nicht schnell war. Und auch diesem 210er Chevy aus dem Jahre 1956 war eigentlich dasselbe Schicksal zugeteilt worden. Er sollte ein A nach B Auto sein. Langweilig, bieder, praktisch aber unfassbar uncool. Ich habe keine Ahnung ob es nur mir so geht, aber wenn ich mir diesen Chevy so anschaue, dann meine ich fast, dass ich sein dreckiges Lachen hören kann. Darüber, dass er auch nach 64 Jahren noch nicht ungeliebt in der Presse gelandet ist und seinen Geschwistern mit ihren Coupé- und Limousinenhintern in der heutigen Zeit sowas von die Show stielt. Und er hat ja eigentlich recht. Der Showfaktor von diesem Kombi ist unbestritten hoch.

Harley Earl

Wie schon gesagt, es gibt nicht viele Kombis, welche richtig gut aussehen. Bei den meisten Derivaten scheint es, als hätte man einfach einen Rucksack auf das Heck gepackt, ein paar Rücklichter drangepappt und fertig war der Lastesel. Nicht hier. Also, man weiss es nicht so genau, wurde hier nach demselben Prinzip verfahren oder hat der Designer Harley Earl (was für ein geiler Name!) sich gedacht, er legt dann einfach noch eine Schippe drauf. Als er die Heckflossen an den Station Wagon gezeichnet hat. Und den Jet auf die Haube. Und sowieso, die geschätzten zwölf Quadratmeter Chrom. Noch selten hat, weder davor noch danach, eine Familienkutsche soviel Klasse gehabt. Und wer schon mal damit vor dem Baumarkt ein paar Holzlatten in so ein Auto gepackt hat weiss, dass diese Show mit keinem Coupé dieser Welt gleichzeitig so richtig und irgendwie dennoch so falsch aussieht. Wir haben's ausprobiert. Die Leute kucken wie rosa Mopeds.

Schnauze!

Autos aus den 50ern, also der Jet Ära bzw. Jet Age, sind designtechnisch einfach nicht wegzudiskutieren. Es gibt fast kein Auto aus jener Zeit, welches die Köpfe nicht so zuverlässig verdreht und so mancher sagt, dass die Belairs von Chevrolet die Speerspitze waren, wenn es darum ging, diese Zeit in Formen zu packen. Der 210er hier ist da keine Ausnahme, unterscheidet er sich doch nur in einigen kleine Details von den Belairs. Und das tut seiner Schönheit keinen Abbruch, wir und auch ziemlich viele, welche das Auto schon in Echt gesehen haben denken, dass dieses Auto optisch eine absolute Bombe ist, ohne jedoch mit Überschall über' s Ziel hinauszuschiessen. Die Seitenlinie ist ja an für sich schon eine wunderschöne Schokoladenseite dieses Autos, aber die Front, ja meine Fresse. Fährt dir dieses Auto hinterher, wünschst du dir gleich mal so etwas wie eine Screenshotfunktion für den Rückspiegel. Warum gibt's so etwas eigentlich noch nicht?

Der Innenraum

Es ist rund, es ist Chrom, es hat eine Schubkarre voll Stil. Ja, man kann über die Ergonomie eines Armaturenbrettes streiten, wenn die Uhr auf der Beifahrerseite montiert ist und damit eigentlich nur schwer ablesbar ist. Aber; a) es sieht einfach nur saugut aus und b) wen interessiert, zumindest heute, die Uhrzeit, wenn man diesen Stationswagen über die Landstrasse manövriert. Vieles in diesem Innenraum wurde so belassen, wie es die Zeit bis heute überdauert hat. Man findet also einerseits eine Menge altes Metall und dessen Patina, aber andererseits sind sämtliche Textilien, also Sitze, Türverkleidungen und Teppiche, durch neues Material ersetzt worden. Auch das Radio, welches optisch nicht von einem 1956er Derivat zu unterscheiden ist, entspricht dem Stand der Technik und wer den Bedarf verspürt, in dem Auto Musik zu hören, dem hilft z.B. die vorhandene Bluetooth Konnektivität für das Smartphone und ein Satz dezent verbaute Lautsprecher. Hilft übrigens auch im Autokino.

 

Was noch? Achja, der Dachhimmel ist ebenfalls ersetzt worden und schmiegt sich ohne Falten an das laaaange Dach. Hie und da finden sich bereits auch ein paar vernachlässigbare Gebrauchsspuren, jedoch nichts, was die Freude an diesen gleichzeitig schlichten aber dennoch barock anmutenden Innenraum versauen würde. Und, der Geruch; perfekt! Das Auto riecht genauso, wie es riechen muss, nach frischen Textilien, vermischt mit etwas Benzin.

Dynamik

Wie bereits erwähnt, die Kombis jener Zeit waren Familienkutschen. Also die Autos derjenigen, welche sich die Jahre zuvor beim Hotrodding und auf der Viertelmeile den jugendlichen Unfug aus dem rechten Fuss gestretcht haben. Das wäre auch hier so gewesen, hätte man sich beim kürzlichen Wiederaufbau nicht dafür entschlossen, die kleine alte Maschine durch einen etwas grösseren Smallblock zu ersetzen. Konkret durch einen 5.7 Liter mit ca. 220PS. Das klingt jetzt nicht nach viel und in Anbetracht dessen, dass diese Maschine ein 64 Jahre altes Konstrukt bewegen soll, ist es gerade genug um das Auto nicht sinnlos zu übermotorisieren. Naja, vielleicht ein bisschen. In Verbindung mit dem 4-Gang Automatikgetriebe (3 Gänge plus Overdrive) harmoniert dies auch absolut perfekt für die lange, entspannte und stressfreie Reise. Die eher lange Übersetzung hält die Drehzahlen auch auf der Autobahn angenehm tief und dennoch, sollte man den Drang nach einem Überholmanöver haben, dann liefert der Chevy genügend Performance, um auch mal zügiger voranzukommen. Dass dabei die Akustik standesgemäss ist versteht sich von selbst, die doppelflutige Auspuffanlage ist unter Volllast präsent genug, um die Glückshormone auch der Musik wegen zügig fliessen zu lassen.

 

Sowas will ja auch gebremst sein. Und auch dabei hat man sich beim Wiederaufbau eine Abweichung vom Werkszustand geleistet, welche auch der erhöhten Motorleistung gerecht wird: Scheibenbremsen an der Vorderachse. Macht Sinn, bremst sich wie ein ganz normales, modernes Auto (abgesehen vom fehlenden ABS) und auch aus höheren Geschwindigkeiten bleibt das Auto ohne böse Überraschungen in seiner Spur. Wäre dem nicht so, würde dies immer wieder mal Lenkkorrekturen erfordern und auch dort haben wir uns dazu entschlossen, die originale Lenkung komplett durch eine revidierte zu ersetzen. Damit hat auch dieser 56er Chevy absolut null Spiel in der (Servo)Lenkung und geht, vorausgesetzt man dreht etwas mehr am Lenkrad als beim Alltagsauto, genau da hin wo man ihn hinhaben will.

 

In Summe: das Auto fährt sich vermutlich besser als ein Auto es damals ab Werk tat. Und das macht diesen 64 Jahre alten Gesellen zu einem erschreckend normalen Auto. Man landet zwangsläufig bei dem Gedanken, ob man sich sowas nicht als Alltagsauto halten möchte? Wir sagen, das kann man machen, sofern man auf eine Klimaanlage und Sicherheitsgurte verzichten kann. Vom Rest her geht das Auto auch im Alltag. Übrigens auch wegen den Dimensionen. Wer auf den ersten Blick denkt, dass es sich hier um so ein Schlachtschiff der 5+ Meter Klasse handelt, der täuscht sich. Der Kombi ist unter 5m lang und 1.90 breit, bewegt sich damit also in den Abmessungen einer aktuellen C-Klasse bzw. knapp über einem Skoda Octavia. Aber, das sind dann halt per CAD designte Valiumschachteln gegen den 210.

Nochmal kurz zum Sound. Das Auto taugt für die Nachbarn. Auch morgens um 5. Klingen tut der Chevy natürlich schon danach, was man von 5700ccm Hubraum und acht Zylindern erwarten würde, das tut er aber relativ unaufdringlich. Lediglich unter Volllast gesellt sich das typische, brummige Ansauggeräusch in den Innenraum dazu und aussen, naja, das wird dann auch etwas lauter. Also, eigentlich alles so, wie es sein soll und der Optik eines unverschämt schönen Pampersbombers angemessen. Uund das gibt auch definitiv keinen Stress mit den Behörden. Dafür aber eine Menge Sympathie.

Zustand

Bei einem neu aufgebauten Auto von Zustand zu sprechen ist ja so eine Sache. Also widmen wir uns der Qualität der Restauration. Nachvollziehbar ist, dass das Auto für diese komplett zerlegt wurde. Dafür sprechen unzählige, frische Schrauben an allen Ecken und Ende des Chevys. Auch wenn man sich die Lackierung genau anschaut stellt man fest, dass hier gewissenhaft gearbeitet wurde. Keine Lacknebel  tummeln sich auf irgendwelchen Dichtungen oder Chromteilen und dies weder aussen noch innen. Und bleiben wir gleich drinnen, weil' s da so gemütlich ist Der Aufenthaltsbereich der Passagiere wurde ebenfalls komplett überarbeitet, jedoch wurde nicht alles ersetzt, was der Ersatzteilhandel so hergibt. Vieles, vor allem das Armaturenbrett und auch viele andere Metallteile wurden dem Alter entsprechend belassen. Etwas, was wir persönlich gut finden, damit hat man das Auto nicht zu Tode restauriert und die Seele dem Alter entsprechend in dem Auto belassen. Und Seele, davon hat der Two-ten zentnerweise. Die Teppiche, Sitzbezüge und Polster wurde ersetzt, ebenso der Dachhimmel und die Türverkleidungen. Man hat dabei auf den übermässigen Gebrauch von bunten Farben verzichtet, schliesslich ist das Auto von aussen ja auch schon ziemlich auffällig.

 

Die Stossstangen wurden neu verchromt, im Gegensatz zu dem Kühlergrill, welcher ebenfalls die Spuren der Zeit mit Stolz in sich trägt. Auch an den unverwechselbaren Rückleuchten hat man das Chrom so belassen, wie es war, es hat also hie und dort einige Pickel und stellenweise auch etwas Rost.

 

Bei dem Aufbau hat man sich auch entscheiden, eine frische Maschine zu verbauen. Für Vortrieb und Sound sorgt ein 350er Smallblock mit moderaten 220PS, aktuell mit ca. 2000km Laufleistung. Hier finden sich keinerlei Auffälligkeiten, der Motorraum ist aufgeräumt, sauber und frei von Ölspuren oder sonstigen Sauereien.

Originales und Originelles

Der Chevy ist bis auf die Scheibenbremsen vorne, den Rallywheels in Wagenfarbe und den Hijackern hinten komplett original. Die Lackierung bzw. deren Farbe entspricht nicht dem Prospekt, passt aber, wie man sieht, ziemlich gut zu dem Kombi. Gemäss dem Body Tag war das Auto in den Farben "India ivory/Nassau blue" ausgeliefert worden. Gebaut wurde das Auto in Janesville Wisconsin. Der Innenraum war einfarbig "Charcoal", was dem jetzigen Zustand entspricht. Das Radio entspricht der Originaloptik, ist aber vom Innenleben her in den 2010er angekommen. Zu dem Auto gibt es auch noch eine originale Bedienungsanleitung, welche, nach heutigen Standards gemessen, erfrischend schlank gehalten ist. 33 Seiten dünn und sehr unterhaltsam zu lesen. "Achten Sie auf die Geschwindigkeit", "Bleiben Sie in der Spur" und "Lenken Sie ordentlich" sind nur ein paar wenige Tipps, welche sich in diesem Stück automobiler Literatur finden. Kaum vorstellbar, dass man dies in eine Bedienungsanleitug schreiben musste aber hey, damals war der Besitz eines Führerscheins auch nicht zwingend notwendig, um ein Auto zu bewegen, Zumindest sah man das damals nicht so eng wie heute.

 

Wie gesagt, der Motor entspricht nicht mehr der originalen Maschine, was dem Auto jedoch gut tut. Und auch getriebeseitig war hier im Werkszustand Hand- und Wadenarbeit angesagt, der Townsman war ursprünglich ein Handschalter.

Fahr doch!

Zur Paradedisziplin des kupfergoldenen Kombis. Sein Fahrverhalten. Es gibt Autos aus den 50ern und 60ern, welche absolut atemberaubend aussehen, aber dann beim eigentlichen Fahreindruck charmant abstinken. Pampige Fahrwerke, unberechenbare Bremsen, Lenkungen aus Luft und Buttercreme. Und genau an diesen Stellen hat man bei diesem TriFive angesetzt, das Fahrwerk ist freizusprechen vom Verhalten eines Bootes. Die Scheibenbremsen vorne (mit Bremskraftverstärker) sind leistungsfähig und trotzdem fein zu dosieren. Und die Lenkung, welche soeben durch ein revidiertes Teil ersetzt wurde, hat absolut null Luft und lenkt den Chevy genau dorthin, wo man ihn haben möchte. In Summe all dieser Eigenschaften ist das Auto erschreckend einfach zu fahren, vor allem wenn man bedenkt, dass wir hier vor einem 64 Jahre alten Auto stehen. Leistung ist wie schon erwähnt, ausreichend vorhanden und zwar hauptsächlich in Form von genügend Drehmoment, welche die Drehzahlen tief hält und damit auch dort, wo so ein V8 am besten klingt. Damit bietet dieser 210 ein entspanntes Gesamtpaket an Fahreigenschaften, welche ihn zu einem jener Cruiser machen, welche die Leute so gerne sehen und hören.

Sold!

Copyright by Gasoline Kitchen GmbH

Disclaimer