Der 507

In fünf Minuten.

So stand es gestern Nachmittag weiss auf blau auf meinem Handy. Ich war gerade dabei, zu Hause den Besen zu schwingen und mich darüber zu ärgern, dass mein Staubsaugroboter das Zeitliche gesegnet hatte. Doch, wohin sollte mich eines jener manchmal so lästigen sozialen Netzwerke hindrängen, was war denn so wichtig, dass ich in fünf Minuten den Besen und alle anderen Putzutensilien ihrem ungewissen Schicksal überlassen sollte? Ehrlich gesagt, da hätte es sowieso nicht viel gebraucht, aber in Anbetracht dessen, was da in fünf Minuten vor meiner Haustür stehen sollte, hätte ich auch den Präsidenten und die Queen mehr oder weniger höflich gebeten zu gehen. Und hätte Ihnen auch noch in die Jacke geholfen, während ich in meine Schuhe reinstolperte, bevor ich sie höflich aber bestimmt zur Haustür rausgeschubst hätte. Kommt ein anderes Mal!

Einer von 254 gebauten BMW 507.

Fast schon banal zu erwähnen, dass dieser wunderschöne Roadster mit einem 3168ccm grossen V8 bestückt ist und vier manuell sortierte Gänge besitzt.Für heutige Verhältnisse fast schon putzige 150PS, welche aber mit den vollgetankten (110L KRAFTstoff) 1330kg sehr wenig Mühe haben. Was für eine seltene, aber gleichzeitig so vertraute Erscheinung, tatsächlich in Farbe und ausnahmsweise mal nicht auf einem Display.

Wie weit?

ca. 120km, durch das Fürstentum Liechtenstein und die wunderschön herbstliche Bündner Herrschaft.

First Impact

Handbuch gelesen?

Tatsächlich hab ich mal reingeschaut. Eine erfrischende Lektüre, und in wenigen Minuten komplett durchgelesen. Was sich auch empfiehlt, einen Benzinhahn kennen nur noch die wenigsten und wenn dann nur vom Pubertätsmoped der frühen Jahre.

 

Erster Eindruck

Der 507er ist ja für mich ja kein gänzlich Unbekannter gewesen. Das Auto hat schon so manche Internetrecherche von mir komplett ad absurdum geführt. Ich suche nach einem neuen Bett? Ich finde den 507. Ich suche nach einem guten Kopfhörer? Ich finde den 507. Ich suche einen gebrauchten Panzer für den Garten? Ich finde den 507. Ich suche nach wohlklingenden Achtzylindern auf Youtube? Ich finde den 507. Ok, letzteres war klar.

Als ich das allererste mal vor einem 507 in Echt stand, war ich einen Moment lang nur baff. Und da lief der Motor noch nicht mal. Dieses unschuldige Weiss in Verbindung mit diesen Wogen aus Blech liessen mich mal kurz in Atmung und Puls aussetzen. Die Proportionen sind nach meiner Vorstellung von einem dynamisch gezeichneten Auto abschliessend, die Windschutzscheibe sitzt perfekt mittig, die Hälfte der Karosserie gehört der Motorhaube und dem, was darunter für die Hauptarbeit beim Vortrieb verantwortlich ist.

 

Der innere Kokon, in welchen der BMW seine maximal zwei Passagiere hüllt, glänzt mit einer erstaunlichen Ergonomie blablabla.... Ne, Schwachsinn, der 507er ist für jemanden, der tagein tagaus mit modernen Autos unterwegs ist, der blanke Horror. Der Schalthebel ist tief unter dem Armaturenträger versteckt, der Blinkerhebel sitzt auf der falschen Seite der gegen die Fahrzeugmitte abgeschrägten Lenksäule und die Funktionen der Zapfenschalter sind mir immer noch ein Mysterium. Nur, hier ist das absolut und endgültig wurscht. Diesem Auto würde ich auch ein paar rostige Nägel im Holzlenkrad verzeihen.

 

Die Sitze sind auch für heutige Verhältnisse noch perfekt was Seitenhalt und den Komfort anbelangt, man sinkt rein und hat auch gar kein Bedürfnis, noch gross an Lehne, Lordose und den nicht vorhandenen Kopfstützen rumzufummeln. Auch ist das hier verwendete Leder grosszügig für die Türverkleidungen und Mittelablage verwendet worden. Hier kann man sich so richtig mit Schmackes in die Sitze reinlümmeln und wo auch immer man seine Ellbogen in dem engen Cockpit stösst wird man sanft darauf hingewiesen, dass das Auto dort aufhört, wo es kuschelig wird. Auch innen, der 507 ist unfassbar charmant.

 

Natürlich ist hier Chrom noch Chrom, und kein chemisch traktiertes Plastik. Gerade bei den gestern schon etwas herbstlichen Temperaturen merkt man das, wenn man mit den fühlenden Sinnen durch das Cockpit streicht und plötzlich eine in einem modernen Auto völlig ungewohnte Kälte spürt.

Willkomen zu Hause!

Das rohstofforientierte Cockpit macht den 507er aber nicht kalt, hart oder abweisend. Im Gegenteil. Gerade dadurch verströmt dieses Auto eine gewisse Robustheit und Vertrautheit, welche meine kühnsten Erwartungen an ein bald 60 Jahre altes Auto bei weitem übertroffen haben. Wieso werden eigentlich Staubsaugroboter nicht so alt?? Vermutlich weil sie hauptsächlich aus Plastik sind. So ein Glump.

 

Tacho, Drehzahlmesser und die wichtigsten Lebensparameter des Achtzylinders. Mehr will man gar nicht wissen.

Die ersten Kilometer

Ich bin tot und ich bin im Himmel, wie konnte das denn passieren?? Als wäre das Auto im stehenden Zustand nicht schon die allerletzte Sünde des Lebens wert, wenn der Soundtrack dazu sein Stakkato durch die beiden Endrohre in Stereo wiedergibt wird es spürbar eng im Hormonhaushalt. Ich habe mir schon viele Achtzylinder aufmerksam angehört, angeschaut oder bin sie auch gefahren. Aber das was dieser eher kompakte Vertreter aus München akustisch von sich gibt, grenzt an automobiler Pornografie. Geh so a Schmarrn, es ist automobile Pornografie!

 

Ich bemerke mein Alter. In Form von Falten, welche sich über mein Gesicht verteilen. Mein Gott, dieses Auto macht so glücklich wie eine Monatspackung Antidepressiva auf Ex! Ich könnte ewig und drei Tage lang mit diesem Auto durch die Landschaft röhren, rutschen, rotzen und cruisen.

Im Stand

Irgendwann muss man sich ja wieder beruhigen. Auch auf dem Beifahrersitz macht der 507 mehr Spass, als das meiste, was ich je gefahren bin. Mein Chauffeur *hust ist keiner von jener Sorte, der ein solches Kleinod behandelt wie ein rohes Ei. Getrost der Herkunft und dem Zweck dieses Sportlers wird das Auto auch entsprechend bewegt. Dabei sollte ich erwähnen, dass ich der hundslausigste aller Beifahrer bin uns sicherlich schon das eine oder andere Bodenblech bei einem sinnlosen Bremsreflex deformiert habe. Hier jedoch, trotz fehlender Sicherheitsgurte und der recht sportlichen Fahrweise, bin ich völlig tiefenentspannt. Auch als auf einer kurvigen Bergstrecke der 507er seinen wohlproportionierten Hintern gegen das Kurvenäussere drängt. Der Achtzylinder verrichtet seine Arbeit gut dosiert und mit 150PS auf gut 1300kg Gewicht perfekt verteilt. Diese Ballerina tänzelt nicht nur für ihr Alter grazil und kontrolliert über den Asphalt, wohl auch der angepassten Bereifung wegen. Ein moderner UHP würde das Fahrgefühl in diesem Auto wohl gänzlich ruinieren. Zum Glück gibt's noch solche Reifen.

Das Gesamtpaket macht die Fahrt im 507 zu einem Spass, wie man ihn vermutlich nicht so oft im Leben erleben kann und darf. Überraschend agil und zivilisiert lässt sich der alte BMW über moderne Strassen zirkeln. Der V8 ist in seiner Leistungsabgabe seidenweich und linear bis in die hohen Drehzahlen. Der Sound lässt sich je nach Drehzahlbereich zwischen rotzig und angepisst bezeichnen. Und das ist gut so. Sogar sehr gut. Schalten wird so zu einer bemerkenswert spassigen Angelegenheit, alleine dem Zwischengas wegen.

 

Und überhaupt, Spass. Kann so ein alter Kasten überhaupt Spass machen? Gemessen an den heutigen Standards und Ansprüchen an ein solches Auto? Ich sage mal ja und stelle die kühne Behauptung auf, kein SLK oder Z4 dieser Welt kann ungeachtet der Motorisierung auch nur im Ansatz das Ausmass an Fahrfreude vermitteln, wie es dieser 507er tut. Wäre da nicht das angenehme Mass an Rückmeldung von der Lenkung, Fahrwerk und Bremse, wäre immer noch die atemberaubende Soundkulisse, welche jedem Petrolhead ein Lächeln zwischen die Ohren zaubert. Es gibt gewisse Drehzahlbereiche, welche mit dem richtigen Mass an Motorlast eines der schönsten Stücke überhaupt aus der V8-Playlistofalltime in die Landschaft bläst. Favorit!

Angenehmer Aufenthalt

Der Aufenthalt im 507 ist also ein durchaus angenehmer. Hat man wohl schon bemerkt, ich bin von dem alten BMW ziemlich angetan. Sorry, geht nicht anders.

 

Das liegt einerseits an der offenen Fahrweise und der entsprechend ungefilterten Motorenakustik. So ein wunderschöner Nachmittag wie gestern, in einer herbstlich gefärbten Landschaft, in einem offenen Auto an sich ist ja schon was Feines. Dass man dabei alle Sinne schweifen lassen kann und einfach da verweilt, wo's grad am schönsten ist, das ist wohl unbezahlbar. Seien es die beiden Endrohre im Heck, die momentan wunderbar herbstlichen und bunten Wälder, der weissblaue Himmel oder auch das weissblaue Logo welches immer wieder meinen Blick durchkreuzt, während ich diesen wunderschön barocken Innenraum auf mich wirken lasse. Lackiertes Blech, Chrom und ein Holzumrandetes Lenkrad versüssen einem den Aufenthalt noch mehr.

Bei dem Auto hatte ich ein wenig Reizüberflutung. Dass der 507 noch vor dieser Fahrt für mich als einer der schönsten BMW's überhaupt galt, hat die Begegnung nicht einfacher gemacht. Man sagt ja immer, man solle seinen Helden nicht zu nahe kommen, man könnte enttäuscht werden. Zu meinem sowieso schon unfassbaren Glück war das hier aber nicht der Fall. Der 507er hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern gänzlich übertroffen. Er ist immer noch eine wunderbare Erscheinung auf Rädern, er hat einen ebenso schönen Innenraum und er klingt noch besser als in meinen feuchtesten Träumen. On top; er fährt sich auch noch traumhaft. Und das sage ich jetzt nicht mit den Worten eines Mannes, der gerade frisch verliebt von Hormonen überschüttet vom ersten Date nach Hause kam. Nein, hier war ich doch kritisch und habe zu meiner Schande auch gar nix erwartet, bestenfalls ein ausgenudelter Oldtimer mit zickigem Fahrverhalten und einer Menge Kompromisse. Geliefert bekam ich ein Auto, welches sich modern anfühlt und dabei aber herrlich unkorrekt fährt. Was für ein wunderschöner Ritt durch herbstlich bunte Wälder und wohlklingende Steinmauern.

 

Byebye 507, ich hoffe wir sehen und riechen uns mal wieder. Danke auch an meinen Chauffeur und Begleiter, es war eine wahrhaftige Ehre, mit diesem höchst seltenen und unbezahlbaren Bijou einige Liter Benzin deren wohl schönsten Bestimmung zuzuführen.

Ein Dankeswort

Ich möchte mich auch hier nochmal dafür bedanken, dass man mir diese Gelegenheit vor einigen Jahren einfach so, ohne weitere Erwartungshaltung, geboten hat. Nicht zuletzt deswegen reifte in mir und meinen Geschäftspartnern der Gedanke, dass nichts unmöglich ist und damit wurde auch durchaus ein Pfeiler dieses Unternehmens gefestigt, no Limits, keine Hemmschwellen. Die Erkenntnis, dass man durchaus nach den Sternen greifen kann, ohne gleich Raketenwissenschaft zu betreiben. Und dass Leidenschaft zweifellos eine Herzenssache ist, ohne dass der Kopf etwas zu melden hätte. Damit; danke für diesen Tag mit dem 507, es war schön, wieder acht Jahre alt zu sein. Hat süchtig gemacht. Jetzt haben wir den Salat. Der ist übrigens vegan.

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Autor: Markus

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